«Musik ist der Kitt für unsere Gesellschaft»

In der Welt der klassischen Musik ist er international gefeiert. Abseits der renommiertesten Konzertpodien, jenseits von preisgekrönten CD-Einspielungen beim Label SONY begegnet man dem Bratschisten Nils Mönkemeyer als einem bescheidenen, behutsamen, tief reflektierten Künstler, der ganz offensichtlich keinerlei Huldigung benötigt.

Von Dorothe Gschnaidner
Das Gespräch hat im Februar 2025 stattgefunden.
Erstabdruck im Rotary Magazin April 2025.

Vielleicht ist es gerade die Bratsche, die mit Ihrer Erdung, dem warm geschwungenen Korpus, der samtig dunklen Fülle eine ideale Verbindung zwischen Himmel und Erde schaffen kann, wie man es bei Mönkemeyer im Konzert erlebt. Das weich federnde und doch kraftvolle Moosgrün, in das er seine Hörer bettet, ist bedeckt mit brillant funkelndem Sternenstaub. Von seiner Farbigkeit sind Publikum wie Kritiker gleichermaßen verzaubert, von Temperament und Dichte seines Spiels fasziniert.

Seine buchstäbliche Berufung zur Viola zeigt sich keineswegs nur im Extrovertiertheit fordernden Solistentum. Mönkemeyer genießt es einerseits, bei Solokonzerten den Weg mit dem Orchester vorzeichnen zu können. An der Kammermusik schätzt er andererseits die Herausforderung, gemeinsam durch ein Werk zu reisen, es zu entdecken, zu erwecken, auch wenn man dabei stets einen Teil der Entscheidung abgeben muss, wie er nachdenklich anfügt.

Miteinander und Wegbegleitung stehen in seiner Unterrichtstätigkeit ganz oben auf seiner Prioritätenliste. 2025 wurde er als erster Professor einer deutschen Musikhochschule zum «Hochschullehrer des Jahres» gekürt, heraus gepickt vom Deutschen Hochschulverband DHV unter 584 Universitäten und Hochschulen. Bislang war das Privileg dieser Ehrung vornehmlich Medizinern und Wissenschaftlern vorbehalten. Nicht nur die Exzellenz des Lehrenden, sondern vor allem sein beispielgebendes soziale Engagement gehören zu den maßgeblichen Auswahlkriterien des DHV.

Bereits als Student war Mönkemeyer von Yehudi Menuhins Initiative «Live Music Now» infiziert, setzt sich seitdem aus Überzeugung dafür ein, Konzerte für die Teile der Gesellschaft zu ermöglichen, denen der Zutritt zum Elfenbeinturm exklusiver, hochpreisiger Klassik verwehrt ist. Hier sieht er dringlichen Handlungsbedarf, ein Schubladendenken gilt es aufzubrechen. Was für ein stimmiges Signal, dass die Preisverleihung des DHV an seinem frisch gewählten neuen Lebensmittelpunkt Berlin stattgefunden hat.

Nach den Stationen Madrid, Dresden und München übernahm er dort die Viola-Professur an der Hanns Eisler Hochschule für Musik. Dass ihm seine Münchner Bratschenklasse geschlossen von der Isar an die Spree folgte, wundert da gar nicht.

Gilt er durchaus als streng, was ihm im Gespräch ein Schmunzeln entlockt, ist sein nie frontaler, sondern auslotender, nach Entwicklungen forschender Unterricht stets an der Persönlichkeit seiner Schüler orientiert.  «Meine Anforderungen sind hoch. Das gebe ich gerne zu. Aber wenn mein Schüler etwas nicht kann, dann liegt das an mir. Dann muss ich für und mit ihm einen Weg zur Problemlösung finden.» Mönkemeyers Haltungen sind klar definiert, da wird nicht rumgeeiert. Er betrachtet sich selber als Musiker ohne Wenn und Aber auf der Sonnenseite des Lebens platziert, seine Dankbarkeit dafür ist ernst, sitzt tief. Die Lebensaufgabe eines jeden Einzelnen sieht er darin, das eigene Potenzial auszuschöpfen. Das ist für ihn sinngebend, dazu möchte er auch seine Studentinnen und Studenten ermutigen.

Über einen Fachkräftemangel auf dem Gebiet klassischer Musik braucht man schon seit langer Zeit nicht klagen. Ganz im Gegenteil, die deutschen Musikhochschulen und Konservatorien können sich des Andrangs kaum erwehren. Ihr Privileg ist, eine hochqualifizierte, extrem individuell zugeschnittene Ausbildung ohne Studiengebühren anzubieten. «Wer weiß, wie lange wir uns diesen Luxus noch erhalten können? Wer z.B. an der bekannten Julliard-School in den USA studieren will, muss sich unter Umständen über Jahre und Jahrzehnte hoch verschulden.» Was Mönkemeyer hingegen kritisiert, ist die Qualität der musikalischen Vor- und Ausbildung in Deutschland vor dem Eintritt ins Musikstudium. Hier werden leider eklatante Defizite bei den Aufnahmeprüfungen deutlich. Die zahlreichen ausländischen Studienbewerber haben oft mit deutlichem Abstand die Nase vorn.

Mönkemeyer ist Realist, kennt die harten Bandagen des Klassik-Marktes, die von einem bejubelten Bühnenstar hinter den Kulissen beinharte Disziplin und manchmal auch durchaus eine gewisse Leidensfähigkeit fordern, wenn wieder zu wenig Zeit für die Pflege des Freundeskreises bleibt, oder die Bahn mit Stunden Verspätung eintrifft, er quasi aus dem Abteil wie Sputnik direkt aufs Konzertpodium stürmen muss. Eine strategische Karriereplanung war nie sein eigener Ansporn. Gerade in der Zeit der Corona-Pandemie hat er gespürt, wie sehr ihm die Ermutigung durch Musik im Konzertsaal, der Kontakt zum Publikum fehlen. «Plötzlich war das Gefühl, für und mit Menschen etwas zu erleben, einfach komplett verschwunden.» Der Austausch mit seinem Publikum ist für ihn essentiell. «Das ist der Motor für meine Entscheidung, Musiker zu sein.» Dieser unaussprechliche Moment, wenn die Luft knistert, der Funke überspringt, entsteht nur im Konzertsaal. «Wenn wir jetzt an der Kultur sparen, dann wird es im Konzertsaal stiller. Ohne diese schwer zu fassende Magie, die eine Berührung zwischen Künstler und Publikum möglich macht, wird unsere Zukunft dunkel.»

Für Berlin, die pulsierende Metropole, den neuen Lebensabschnitt, hat er sich bewusst entschieden. Wohl wissend, dass gerade dort die Etatschrauben im Kulturbereich hart angezogen werden.

Zu seinem Einstand schon gab es eine spannende Kooperation. «Gemeinsam schaffen wir doch immer mehr als alleine» lautet sein Credo. Genau diese Haltung kann man sicher als eine der wichtigsten Lebenslinien von Nils Mönkemeyer verorten. Immer wieder ist es das Stiften von Gemeinschaft, das ihn umtreibt. Mit der «Musethica»-Initiative startete er sein Berliner Hochschul-Entrée. Hier erarbeiten Meister mit ihren Schülern Konzertformate, spielen die besten Talente für Menschen mit Einschränkungen, für Obdachlose, Geflüchtete, Inhaftierte.

«Ich empfinde sehr stark, dass es Abspaltungen gibt, der Rückzug in die eigene Bubble bevorzugt wird. Eine spürbare Unzufriedenheit greift um sich, viele Menschen fühlen sich nicht gehört. Der Mangel an Kommunikation und Gemeinsamkeit kann gerade durch das verbindende Medium Musik überwunden werden.»

Nils Mönkemeyer ist ein vehementer Anwalt der Kultur. Miteinander und Emotion zu ermöglichen, Kitt für unsere Gesellschaft zu sein, darin sieht er die immensen Chancen seiner Profession: Musik.